Wort des Pastors April 2021

Ihr lieben!

Wir befinden uns zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Gemeindepost in der Karwoche. Diese hat am Palmsonntag angefangen und wir gedenken der Ereignisse Jesu letzte Woche: das Pathos des Gründonnerstags, die Einsamkeit und das Säumnis des Karfreitags. Und dann geht es zur Auferstehung: die Ankündigung, dass Tod und Sünde besiegt sind. Dabei wird jedoch der Karsamstag manchmal übersprungen. Aber der Samstag ist extrem wichtig. Denn die ersten Jünger Jesu haben nicht gewusst, dass die Auferstehung kommt.

Könnt ihr euch das vorstellen? Nicht zu wissen, wie eine Situation sich ausgeht? Als Eltern freuen wir darauf, wie unsere Kinder unserer Lieblingsbücher lesen werden. Wir freuen uns auf die überraschenden Wendungen (Achtung! Spoilers!): Das Biest war ein Prinz. Darth Vader ist der Vater von Luke. Charlie bekommt die Schokoladenfabrik. Harry besiegt Voldemort, in dem er sich selbst opfert. Und bis man es weißt, wie es sich ausgeht, liest man diese Bücher anders. Man spürt die Spannung total. Da ist extrem viel Unsicherheit.

So ging es den ersten Jüngern. Sie hatten erlebt, wie ihren Freund und Herrn brutal ermordet wurde. Sie wussten, dass sie vielleicht auch bald selber verfolgt würden. Das zu erwartende Königreich Gottes scheint jetzt nicht mehr zu kommen. Das Wort Gottes wurde zum Schweigen gebracht. Es war alles ein absolutes Scheitern. Es müsste ein völlig traumatisierendes Wochenende gewesen. Und jetzt sitzen sie am Samstag zusammen und sie wissen nicht mal, was auf sie zukommt. Aber es ist bestimmt nichts Gutes. Vergessen wir manchmal, wie es für diese ersten Christen gewesen sein müsste? Es gab für seine keine gerade Linie zwischen Kreuzigung und Auferstehung, sondern Nicht-Wissen und Trauma und Trauer. Wenn wir zu schnell vom Karfreitag zur Auferstehung springen, dann vermitteln wir vielleicht unbewusst die Botschaft: „nicht erschrecken, es wird alles bald wieder besser“.

Aber es ist so in unserem Leben. Schlechte Erfahrungen, Trauma, Krankheiten, Depressionen, Missbrauch, Angststörungen, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Asylverfahren, unerfüllte Kinderwünsche – das sind leider alles Teil unserem Alltag. Und wenn wir von diesen Dingen betroffen sind, dann ist es auch für uns schwierig zu wissen, ob sich alles gut ausgehen wird. Es gibt keine leichten Lösungen und keine einfachen Antworte. Und manchmal ist es leider der Fall, dass eine Situation tatsächlich schlecht oder sogar sehr schlecht ausgeht. Der Karsamstag ist die Einladung, sich in dieser Spannung zu verweilen. An die Ungewissheit und Trauma der ersten Jünger zu erinnern und damit die eigene oder fremde Ungewissheit.

Karsamstag ist ein Protest gegen eine christliche Sprache, die zu billig über Schmerz und Leiden und Trauma redet. Er ruft in Erinnerung nicht den Sieg Gottes über den Tod und das Happy End, sondern die Anwesenheit Gottes in der Ungewissheit. Es gibt die Gegenwart Gottes im Leiden: aber lass uns nicht fromm und christlich-höfflich darüber reden! Sie ist oft Erfahrung versteckt und kaum spürbar. Manchmal können wir maximal oft über die Hoffnung flüstern.

Also ich lade Euch diese Woche ein, an diesem Karsamstag bewusst ein paar Stunden beim „Nicht-Wissen“ zu verbringen. Versucht Euch mal die Erfahrung der ersten Jünger vorzustellen. Und dann ins Gebet zu gehen. Vielleicht für eine Situation, die dich persönlich trifft und wo die Hoffnung kaum spürbar ist. Vielleicht für die Situation eines Freunds oder Bekannten. Vielleicht unbekannterweise für eine Situation auf unserer Welt, die dir am Herzen liegt.

Am Zentrum unseres Glaubens steht ein Warten. Ein Warten auf Gottes Handeln, mit dem wir (unserer Erfahrung nach) kaum zu rechnen dürfen. Die Auferstehung ist kein schönes „Danach“, das wir siegreich jubeln. Sie ist ein göttliches „Dennoch“, dessen Unstetigkeit vom Karsamstag unterstrichen wird. Wir singen unser Siegeslied manchmal nur durch Tränen und Wut und würgende Trauer. Nur wenn wir diesen Kontext genau sehen, können wir am Sonntag mit Paulus singen: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? (1 Kor 15,55)

Euer David

Ein Beitrag von Pastor David Bunce

David ist gebürtiger Engländer und ist seit März 2021 Pastor der Baptistengemeinde Bad Ischl. Er hat sein Studium in Schottland (University of St Andrews, MA Hons German and Theological Studies) abgeschlossen und lebt seit 2014 in Österreich. Bevor er nach Bad Ischl berufen wurde, war er 2015-2020 Pastor in der projekt:gemeinde (Wien). In der Gemeinde ist David primär für den Predigtdienst, Gemeindeaufbau und Seelsorge zuständig.