Wort des Pastors – Mai 2021

Ihr Lieben!

Ich weiß nicht, wie es euch gerade so geht, aber ich merke bei mir, dass ich langsam ungeduldig werde. Wettermäßig freue ich mich schon auf Sonne und Sommer. Pandemiemäßig ist das Ende jetzt in der Sicht – aber bis dann ist Vorsicht und Rücksichtnahme immer noch geboten. Geduldig darauf zu warten ist etwas, was mir natürlich nicht leichtfällt. Vielleicht geht es dir auch genauso. Hast du dir vielleicht auch Gedanken gemacht, ob es Gott auch genauso geht. Ob er manchmal genauso ungeduldig ist, wie wir Menschen?

In der Bibel ist es klar: Gott ist geduldig. Im Alten Testament ist die Geduld Gottes eng mit seiner Barmherzigkeit und Gnade verbunden. Diese Geduld ist auch Beziehungssprache. Mit wem ist Gott geduldig? Mit seinem Volk Israel: „Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue“ (Exodus 34,6). Israel bekennt die Geduld Gottes.

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese göttliche Geduld keine Schwäche ist (als ob Gott nicht fähig ist, in die Welt einzugreifen), sondern genau in seiner Geduld handelt Gott als Herr. Es ist seine Entscheidung, den Menschen Raum und Zeit zu geben, Menschen zu sein. Gottes Liebe drückt oder zwingt uns nicht, er zerstört uns nicht in unserer Sündhaftigkeit, sondern die Liebe begleitet, erträgt und lässt gewähren. Gottes Geduld ist deshalb ein Warten. Die Liebe wartet ab, bis die Kreatur sie erkennt. Genau darüber hat sich der Prophet Jona beschwert:„Ich habe gewusst, Herr, dass du ein geduldiger Gott bist“. (Vgl. Jona 4,2-3).

Diese Geduld Gottes ist vor allem bei Jesus Christus zu sehen. Jesus hat 30 Jahre gewartet, bis er seinen Dienst angetreten hat. Gott schafft Beziehungen mit den Menschen, ohne dass die Menschen gleich Antwort geben müssen. 10 Aussätzige wurden geheilt – wir lesen nur von einem, der zurückgekommen ist. Der verlorene Sohn hört die Einladung des Vaters, aber uns wird nicht gesagt, wie er darauf reagiert. Auch 2. Petrus bekennt von Gottes Geduld: „Der Herr verzögert nicht die Verheißung, sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde“ (2 Petrus 3,9).

Was sagen wir dazu? Ich glaube, dass wir hier einen Perspektivenwechsel gewinnen können. Wenn wir in der Krise stehen, oder wenn ein guter Freund, oder Verwandter weit weg vom Herrn ist, wollen wir, dass die Situation gelöst wird, oder dass der Freund zurückkommt. Und sogar sofort. Die Spannung des Wartens halten wir kaum aus. Wenn wir allerdings über die Geduld Gottes nachdenken, dann sind wir eingeladen, die Welt durch neue Augen zu sehen. Gott rechnet nicht nach Wochen und Monaten, sondern nach Jahren und Jahrzehnten. Er schreibt Geschichten von seiner Treue, die wir noch nicht sehen – oder vielleicht niemals sehen werden. Seine Geduld ist keine Gleichgültigkeit, sondern sie ist genau der Ausdruck seiner Liebe: „Ich liebe dich zu sehr, deine menschliche Existenz aufzuheben, oder zu zerstören. Deswegen begleite ich dich über Jahre mit meiner Liebe und Gnade und Treue“.

Sollten wir deshalb bei uns merken, dass wir ungeduldig mit einer Situation werden, oder dass wir die Spannung des Wartens kaum aushalten, dann ist es eine Einladung zum Gebet. Wir beten dafür, dass wir unsere Situationen und Anliegen durch die Augen Gottes sehen können. Wir beten dafür, dass wir sehen können, was Gott vielleicht im Geheimen, oder Versteckten macht. Und wir können auch für Geduld beten. Und hier erinnert uns Augustinus, wird sie auch gegeben. Die menschliche Geduld ist die „Geduld der Armen, vom Reichen empfangen“. Wir haben einen Gott, der reich an Gnade und Geduld ist, und der es liebt, uns diese Gaben zu schenken. Also beim nächsten Mal, wenn du bei dir Ungeduld spürst, lade ich dich ein, die Spannung auszuhalten. Was würde sich ändern, wenn wir diese Spannung nicht als Frust, sondern als Geschenk empfangen, als Möglichkeit im Geist aufzuwachsen und ein bisschen mehr das Vater Herz Gottes zu sehen.

Ich wünsche euch viel Spaß und…na ja, und Geduld dazu. Und trotzdem warte ich noch ungeduldig auf die Sonne!

Gott segne euch!

Euer David

Ein Beitrag von Pastor David Bunce

David ist gebürtiger Engländer und ist seit März 2021 Pastor der Baptistengemeinde Bad Ischl. Er hat sein Studium in Schottland (University of St Andrews, MA Hons German and Theological Studies) abgeschlossen und lebt seit 2014 in Österreich. Bevor er nach Bad Ischl berufen wurde, war er 2015-2020 Pastor in der projekt:gemeinde (Wien). In der Gemeinde ist David primär für den Predigtdienst, Gemeindeaufbau und Seelsorge zuständig.