Wort des Pastors – Dezember 2021
Ihr Lieben!
Es ist wieder Advent. Die Zeit des Wartens. Das Wort Advent, so hört man es fast jedes Jahr in irgendeinem Kontext, kommt aus dem lateinischen adventus, ‘Ankunft’. Advent ist also eine Zeit der Erinnerung: an Weihnachten, an die erste Ankunft Jesu in unserer Welt. Gleichzeitig ist es ein Warten auf seine zweite Ankunft, das Kommen des Herrn in Herrlichkeit am Ende aller Zeiten. Also Advent: Zeit der Kerzen, der Weihnachtskekse und vielleicht nur ein bisschen Gericht. Immerhin muss es Ausgleich geben. Mir geht es heute aber viel mehr um das Warten. Wie geht es uns beim Warten?
Wir fühlen uns als ganze Gesellschaft in einer Zeit des Wartens. Mit dem neuesten Lockdown hat man den Pause-Knopf gedrückt. Wir treten Wasser und warten: wir befinden uns zwischen „Ende der Pandemie“ und „noch mittendrin“. Viele Projekte sind schon wieder auf Eis gelegt. Wir befinden uns auf einem gesellschaftlichen Brachland. Vielleicht hat sich der eine oder andere die Frage gestellt: hat dieses Warten überhaupt ein Ende?
Hat dieses Warten ein Ende? Das ist eine Frage, die eigentlich gut zum Advent passt. Die frühesten Christen haben sich auf das zweite Kommen des Herrn gefreut – und haben dieses Ereignis auch sehr zeitnah erwartet. „Ein paar Wochen, ein paar Monate, maximal ein paar Jahre müssen wir warten“ haben sie bestimmt gedacht. Das hat ihrem gemeinsamen Leben eine vitale Kraft gegeben. Sie haben alles verkauft, haben auf die Ehe verzichtet, haben großartige Taten gewagt. Nun: da vergehen Jahre, und Jesus ist noch nicht zurück. Und das Leben geht weiter. Wie geht man damit um? Das ist eine zentrale Frage in den späteren Briefen im Neuen Testament.
Einen Ansatz finden wir im zweiten Petrusbrief. Petrus tröstet die Empfänger seines Briefes: „Der Herr zögert nicht die Verheißung hinaus, wie etliche es für ein Hinauszögern halten, sondern er ist langmütig gegen uns, weil er nicht will, dass jemand verlorengehe, sondern dass jedermann Raum zur Buße habe.“ (2. Petrus 3,9). Im Endeffekt schreibt er: liebe Gemeinde – das, was ihr vielleicht als ein Scheitern oder eine Enttäuschung erlebt, ist eigentlich ein Teil von Gottes Plan. Das Warten hat einen Sinn: Es ist nicht Gottes Nicht-Handeln, sondern ein Ausdruck seines Tuns. Er ist langmütig mit uns – er gibt uns Raum und Zeit, damit jede Person eine Antwort auf seine Gnade geben kann. Deshalb: muss das endlose Warten nicht als etwas Negatives erlebt werden, sondern als etwas durchaus Positives. Wir befinden uns noch im Raum von Gottes guter Herrschaft.
Petrus beschreibt auch wie unsere Haltung im Warten sein soll: „Darum, Geliebte, weil ihr dies erwartet, so seid eifrig darum bemüht, dass ihr als unbefleckt und tadellos vor ihm erfunden werdet in Frieden!“ (2 Petrus 3,11). Unsere Heiligung als Christen findet im konkreten Kontext des Wartens und Erwartens statt. Dort wo wir vielleicht nur Brachland sehen oder wo wir das Gefühl haben, dass wir eigentlich nur Wasser treten: dort macht Gott etwas in uns, damit wir „unbefleckt und tadellos vor ihm erfunden werden“. Ja, das ist vielleicht weit weg von der vitalen Kraft der Apostelgeschichte oder der frühesten Christinnen und Christen. Aber „anders“ heißt nicht schlecht. „Anders“ heißt bloß … „anders“.
Daher die Frage: was macht Gott in dir in diesem Lockdown-Advent? Wo macht Gott seine ruhige, aber perfekte Arbeit? Was möchte er dir im Warten und Erwarten zeigen? Lasst uns Gott um sehende Augen bitten!
Euer David
Ein Beitrag von Pastor David Bunce
David ist gebürtiger Engländer und ist seit März 2021 Pastor der Baptistengemeinde Bad Ischl. Er hat sein Studium in Schottland (University of St Andrews, MA Hons German and Theological Studies) abgeschlossen und lebt seit 2014 in Österreich. Bevor er nach Bad Ischl berufen wurde, war er 2015-2020 Pastor in der projekt:gemeinde (Wien). In der Gemeinde ist David primär für den Predigtdienst, Gemeindeaufbau und Seelsorge zuständig.