Karfreitag 2022

Der heutige Lehrtext (am Mittwoch 13. April) bereitet uns auf Karfreitag vor: „Jesus spricht: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12,24). Dieser Satz kommt im Kontext eines Gesprächs zwischen Jesus und einigen Griechen, die beim Passahfest in Jerusalem dabei waren. Im vorherigen Vers spricht Jesus über seiner Verherrlichung: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde“. Und nun sagt er weiter, wie genau diese Verherrlichung aussehen wird: Fallen. Leben hingeben. Sterben.

Das ist das Geheimnis der Selbstoffenbarung Gottes: Sie sieht immer anders aus, als man es erwartet hat. Ich lese in der Karwoche das Buch The Cross and the Lynching Tree (Das Kreuz und das Lynchbaum) vom US-schwarzen Theologen James Cone. In diesem Buch setzt Cone sich mit der Geschichte vom Lynchen (die außergerichtliche Hinrichtung von Schwarzen in Amerika) auseinander. Gestern habe ich einen Satz gelesen, der diese irritierende Selbstoffenbarung zum Ausdruck gebracht hat:

„Man muss ein bisschen verrückt sein, ein bisschen wahnsinnig, um Leben beim Kreuz und Sieg beim Versäumnis zu entdecken“.

James Cone

Aber so das zentrale Geheimnis unseres Glaubens. Cone macht es auch deutlich, wie wichtig diese Entdeckung war für schwarze US-AmerikanerInnen: Da Jesus auch (menschlich gesehen, mindestens) genauso wie Schwarzen der Opfer von willkürlicher Gewalt war, haben Schwarze am Kreuz eine Kraftquelle entdeckt, die sie ermutigt hat, gegen die eigene Ungerechtigkeit zu protestieren. So Jesus: „wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht

Wir werden uns kommenden Karfreitag mit dem Geheimnis des Kreuzes nochmals beschäftigen: Karfreitagsandacht, Freitag (Überraschung…) um 19h. Das wird eine kurze und sinnliche Andacht sein (max. 40 Minuten für den ganzen Gottesdienst!) und ich ermutige euch, dabei zu sein

Ein Beitrag von Pastor David Bunce

David ist gebürtiger Engländer und ist seit März 2021 Pastor der Baptistengemeinde Bad Ischl. Er hat sein Studium in Schottland (University of St Andrews, MA Hons German and Theological Studies) abgeschlossen und lebt seit 2014 in Österreich. Bevor er nach Bad Ischl berufen wurde, war er 2015-2020 Pastor in der projekt:gemeinde (Wien). In der Gemeinde ist David primär für den Predigtdienst, Gemeindeaufbau und Seelsorge zuständig.